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Chile „muss die Ungleichheiten im Land durch mehr Verhandlungsmacht der Gewerkschaften abbauen“
Bei einem kürzlich durchgeführten Besuch in Chile sagte UNI-Generalsekretär Philip Jennings, dass Arbeitsreformen dazu beitragen müssen, die im Land bestehenden Ungleichheiten abzubauen.
Jennings traf zusammen mit UNI Americas-Regionalsekretärin Adriana Rosenzvaig mit dem chilenischen Arbeitsminister, mit Unternehmergruppen, dem Gewerkschaftsdachverband CUT und Mitgliedsorganisationen zusammen. Er betonte, wie wichtig die neuen Arbeitsreformen des Landes dafür sind, den Gewerkschaften mehr Verhandlungsmacht zu geben.
„Das oberste ein Prozent in Chile verfügt über 30,5 % des Gesamteinkommens und das oberste 0,01 Prozent über 10 %“, so Jennings. Das Maß an Ungleichheit ist inakzeptabel und kann nur mithilfe der Stärkung der Gewerkschaftsmacht bewältigt werden. In einer Zeit, in der andere Länder, wie etwa das Vereinigte Königreich, es darauf abgesehen haben, Gewerkschaften zu zerschlagen und arbeitenden Menschen das Leben zu erschweren, gehen die sich derzeit im Senat befindlichen Arbeitsreformen in Chile in die richtige Richtung, obwohl natürlich noch viel mehr getan werden muss, um den Wettlauf nach unten zu stoppen. Das größte Manko ist, dass das Gesetz keine branchenweiten Verhandlungen vorsieht und dass nichts gegen die tief greifende Zersplitterung der gewerkschaftlichen Vertretung unternommen wurde.
Das neue im Senat befindliche Gesetz:
- verleiht Gewerkschaften als einzigem, zu Tarifverhandlungszwecken anerkannten Gremium gesetzliche Verhandlungsmacht,
- verbietet Parallelverhandlungen mit nichtgewerkschaftlichen Gruppen, wenn eine Gewerkschaft präsent ist,
- gibt Gewerkschaften Entscheidungsbefugnis darüber, ob Vertragsabschlüsse auf alle Arbeitnehmer ausgeweitet werden sollen,
- ermöglicht unternehmensweite Verhandlungen,
- macht den Ersatz streikender Beschäftigter illegal,
- verpflichtet Gewerkschaften dazu, Frauen in ihre Verhandlungsdelegationen aufzunehmen,
- legt fest, dass die Verhandlungspartner nicht auf einem Niveau unter dem des vorhergehenden Tarifvertrags verhandeln können. Der bestehende Tarifvertrag bildet die Ausgangsbasis für die nächsten Verhandlungen,
- befähigt Lehrlinge und Zeitarbeiter dazu, kollektiv zu verhandeln.
Jennings fügte hinzu: „Seit 1990 herrscht wieder Demokratie in Chile, doch die Pinochet-Diktatur wirft immer noch lange Schatten. Man darf nie vergessen, dass über 3.000 Chileninnen und Chilenen ihr Leben verloren. Zehntausende wurden festgenommen und noch mehr gingen ins Exil. Es ist bemerkenswert, dass einige der Pinochet-Bauwerke selbst nach 25 Jahren Demokratie noch stehen. Präsidentin Bachelet hat die Nation auf ein Reformprogramm gesetzt, um sich der Altlasten früherer Regime zu entledigen. Die derzeitige Welle an Skandalen darf nicht von der Notwendigkeit dieser Reformen ablenken.“
Ein auf vier Säulen stehendes Reformprogramm
- Arbeitsrechtsreform, deren Gesetzentwurf sich derzeit im Senat befindet.
- Verfassungsreform, die gegen Ende dieses Jahres eingeleitet wird.
- Steuerreform, für die ein neues Gesetz verabschiedet wurde.
- Bildungsreform, um das Bildungssystem zu öffnen, sodass alle chilenischen Kinder Zugang zu hochwertiger Schulbildung bekommen.
Während der Gespräche mit dem Arbeitsminister brachte Jennings das Gespräch auch auf die erschreckende Bilanz von Prosegur in Chile und den 54-tägigen Streik von Beschäftigten, mit dem das Unternehmen dazu gebracht werden sollte, seiner Verantwortung gerecht zu werden.
Jennings und die UNI-Delegation trafen auch mit Hugo Muñoz, dem Vorsitzenden der Prosegur-Gewerkschaft zusammen.
„Die Arbeitnehmer überlebten dank aller möglicher Jobs, wie etwa dem Verkauf von Erdnüssen auf Straßen und in Fußballstadien“, so Jennings. ‘Unsere Löhne sind so niedrig, dass es schwierig ist, davon zu leben’, sagte mir ein Arbeitnehmer. UNI erklärt sich mit allen Beschäftigten, die in Chile und in ganz Lateinamerika auch weiterhin von Prosegur unterdrückt werden, solidarisch.“
Jennings sprach auch vor einer Versammlung vor dem Walmart-Hauptsitz im Business Park von Santiago und schloss sich der Gewerkschaftsdelegation, der auch die Vorsitzende des CUT, Barbara Figueroa, angehörte, an, um mit der Geschäftsleitung von Walmart zusammenzutreffen. Bei der Sitzung sollte Walmart seine Antwort auf Forderungen, die von den Gewerkschaften, angeführt von der SIL, eingereicht worden waren und die Grundlage für einen bahnbrechenden nationalen Tarifvertrag bilden sollen, bekanntgeben.
Während des zweitägigen Besuchs führte Jennings Gespräche mit vielen der chilenischen UNI-Mitgliedsgewerkschaften und lobte sie dafür, dass sie an der Basis wirklich etwas bewirken.
Schließlich traf Jennings auch noch mit einem alten Freund der UNI-Familie zusammen, nämlich dem ehemaligen IAO-Generalsekretär Juan Somavia, der die Academía Diplomática de Chile leitet und immer noch Sonderberater des UNO-Generalsekretärs und der Präsidentin von Chile ist.