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Weshalb hinkt der private Sicherheitssektor hinterher?
Interview mit
Alice Dale, Leiterin von UNI Wartungs- und Sicherheitsdienste
Von Sadia Kaenzig
SK ─ Alice, welches sind die Hindernisse für Frauen, die in diesem Sektor arbeiten, und weshalb ist es wichtig, dass sie eingebunden werden?
AD ─ In den letzten zehn Jahren war ich im Bereich der Wartungs- und Sicherheitsdienste tätig und hörte verschiedene Argumente von Arbeitgebern zur Frage, weshalb Frauen schlechte Sicherheitsleute seien: diese müssten groß und stark sein, die Frauen seien nur zeitweise berufstätig, da sie Kinder haben, oder Frauen reagierten angesichts einer Konfrontation emotionaler, oder es sei eine Frage der Zeit, dass sich ein Unfall ereigne, wenn Frauen mit Waffen ausgerüstet werden. All diese Argumente zur Verhinderung des Zugangs von Frauen zu einer Tätigkeit im Sicherheitsbereich beruhen auf Vorurteilen, die nicht durch Fakten belegt sind.
Bei den größten globalen privaten Sicherheitsunternehmen machen Frauen rund 20% der Sicherheitsleute aus. Bei vielen inländischen und regionalen Unternehmen liegt diese Zahl mit rund 10% weit niedriger. Das muss sich ändern. Es ist an der Zeit, die Genderaspekte in diesen Sektor zu integrieren. Die UNI-Mitgliedsorganisation CNTV-CUT in Brasilien schnitt die Frage der Gendervorurteile auf einer UNI-Tagung über private Sicherheit im Januar 2010 an, ebenso die Tatsache, dass sich der Sektor zunehmend auf elektronische Überwachung verlässt, bei der viele dieser Klischees noch weniger anwendbar sind.
Erstens ist dies nicht nur eine Angelegenheit der Frauen, sondern der Familie, da die Frauen in den meisten Ländern der Welt zu Miternährerinnen der Familie werden. Die Familien werden in Mitleidenschaft gezogen, wenn die Frauen unterbezahlt sind. Lateinamerika ist hier keine Ausnahme. Zweitens haben wir im Laufe der Jahre aus dem Gesetzesvollzug gelernt, dass Frauen die Sicherheitsberufe anders als Männer, jedoch ebenso gut ausüben. Bei innerstaatlichen Unruhen beispielsweise werden weibliche Polizeibeamte als weniger bedrohlich als ihre männlichen Kollegen angesehen. Dies hat zur Folge, dass es weniger Auseinandersetzungen und mehr Diskussionen und Konfliktbewältigung gibt. Männer und Frauen haben häufig unterschiedliche Sichtweisen, Prioritäten und Anliegen. Diese Meinungsvielfalt erhöht die Qualität der im Sicherheitsbereich geleisteten Arbeit – wie dies auch in anderen Arbeitsbereichen der Fall ist. Diese Sichtweisen müssen in allen Bereichen der privaten Sicherheitstätigkeit berücksichtigt werden.
SK ─ Wie lässt sich sicherstellen, dass die Geschlechtergleichstellung im Betrieb angewandt wird?
AD ─ Ich rate den Arbeitgebern in diesem Sektor, die Genderfrage in die gesamte Personalausbildung und in die Politik und die Verhaltenskodexe einzubinden, die folgerichtig die Geschlechtergleichstellung und die Vorteile der Vielfalt behandeln sollen. Selbstverständlich müssen auch die Probleme der sexuellen Belästigung, der Gewalt, der innerbetrieblichen Diskriminierung und sonstige Verletzungen der Menschenrechte direkt angegangen werden. Qualifizierte Frauen (und farbige Menschen) sollten in verantwortliche Positionen im Unternehmen befördert werden. Dies wäre ein starkes Signal bezüglich Kompetenz und Akzeptanz.
SK ─ Welche konkreten Maßnahmen müssen getroffen werden?
AD ─ Die Lösungen sind nicht schwierig – es muss gehandelt werden. Ironischerweise wird das drittgrößte Sicherheitsunternehmen der Welt, Prosegur, von einer Frau, Elena Revoredo, eine der reichsten der Welt, geführt. Der Leistungsausweis ihres Unternehmens bezüglich des Geschlechtergleichgewichts lässt jedoch viel zu wünschen übrig. Der private Sicherheitssektor kann nicht weiterhin eine Kultur des Machismo aufrechterhalten und den Status quo rechtfertigen. Frauen haben in diesem Sektor viel zu bieten. Ein privater Sicherheitssektor mit Frauen, die in vollem Umfang integriert sind, wird Teamarbeit, Innovation und verbesserte Dienstequalität fördern Wir benötigen Arbeitgeber wie Frau Revoredo, die in die höchsten Ebenen der globalen Unternehmenshierarchie aufgestiegen ist, damit entscheidende Schritte unternommen werden, um eine Kultur der Gendereinbindung bei Prosegur zu pflegen. Prosegur könnte in diesem Sektor in dieser Frage führend sein. UNI Global Union fördert die Geschlechtergleichstellung in ihrer gesamten Tätigkeit. Wir werden nicht ruhen, bis dies erreicht ist und bis Sicherheitsleute – Männer und Frauen gleichermaßen – mit der Würde und Achtung behandelt werden, die sie verdienen.