News
UNI-Generalsekretär gegenüber CNBC: “Europa muss mit den Sparprogrammen Schluss machen und sich auf die Beschäftigung konzentrieren”
UNI Global Union-Generalsekretär Philip Jennings war Gast des Frühnachrichten-Programms der CNBC, Squawk Box, wo er sich nicht scheute, das Thema der Woche: Wie kann Europa seine Dynamik wiedergewinnen? frontal anzugehen.
Wie kann Europa seine Dynamik zurückgewinnen?
Zu der Herausforderung für Europa, sein Selbstvertrauen zurückzugewinnen, erklärte Jennings am Ende der zweistündigen, angeregten Debatte: “Wir müssen das Szenario und auch das Dialogfeld ändern. Europa hat die Hölle erlebt. Die arbeitende Bevölkerung hat die Hölle erlebt. Wir haben eine der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrisen in der Geschichte mitgemacht.
“Es wurden große Anstrengungen unternommen, um einen Teil unserer Finanzintegrität wiederzugewinnen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu verstärken. Nun muss aber dafür gesorgt werden, dass die Menschen den Nutzen der von ihnen erbrachten Opfer zu spüren bekommen. Aus meiner Sicht müssen wir integrative Strategien in den Mittelpunkt stellen und nach dem Prinzip: Machen wirs möglich (Thema des nächsten UNI-Weltkongresses 2018 in Liverpool) handeln. Steigen wir aus der Sparpolitik aus und konzentrieren wir uns auf die Arbeitsplätze. Die Lohnquote muss erhöht werden. Wenn wir den Lohnanteil nur um 1% anheben und dies mit einer Steigerung der Investitionen in Verbindung bringen, wäre Europa schon viel besser dran.
“Die europäische Gewerkschaftsbewegung ist der Meinung, dass Herr Juncker zu bescheiden ist und wir wesentlich mehr Investitionen brauchen, als er vorschlägt (315 Mrd. $) – wenn wir den Weg der Sparpolitik verlassen, werden wir unsere Dynamik und unser Selbstvertrauen zurückgewinnen.”
Menschenrechte und Wirtschaft
Zu Beginn der Sendung widersprach Jennings entschlossen dem CNBC-Moderator, Steve Sedgwick, der erklärte, dass CEOs wie Sir Martin Sorrell ihre massiven millionenschweren Lohnpakete und Boni wert seien.
Jennings erwiderte: “CEO-Vergütungen sind exzessiv und unhaltbar. Unsere Aufgabe ist es, die Situation der 3 Milliarden Menschen, die mit einem Dollar pro Tag auskommen müssen, zu verbessern. Wir wollen bessere Löhne für Pflege- und Lehrpersonal und Investitionen in die Bildung erreichen, und nicht eine Situation, wie wir sie heute beobachten, in der sich der Reichtum in den Händen von 1% der Bevölkerung befindet.”
Auf die Frage, welche Abhilfemaßnahmen die Unternehmen ergreifen könnten, antworte Jennings, dass sie globale Abkommen unterzeichnen sollten, die sich an den Ruggie-Prinzipien über die Umsetzung der Menschenrechte in den Unternehmen orientieren. Er wies darauf hin, dass UNI mehr als 50 solche Abkommen getroffen hat und weitere vorbereitet. Primark veröffentlichte am Tag der Sendung gute Quartalszahlen, und Jennings betonte, dass dieses Unternehmen zu den über 200 gehört, die das Bangladesch-Abkommen unterzeichnet haben, mit dem die Spielregeln in der globalen Lieferkette der Bekleidungsindustrie verändert wurden. Er rief Primark und andere Unternehmen auf, globale Abkommen zu unterzeichnen, um ihr Engagement für Arbeitnehmerrechte und ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu zeigen.
Seht euch hier die Videosequenz über Menschenrechte und Wirtschaft an: http://cnb.cx/1VfZ3lD
Am Beispiel von Katar und der bestens bekannten Probleme der sklavenähnlichen Bedingungen bei der WM-Vorbereitung veranschaulichte Jennings was geschieht, wenn es keine Gewerkschaften und keine Vereinigungsfreiheit gibt.
“Gebt ihnen ein Mitspracherecht am Arbeitsplatz und das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung, dann werden sich Gesundheit und Sicherheit verbessern”, betonte er.
Im Gegensatz dazu erwähnte er Kuwait, wo es Gewerkschaften gibt und die Erdölarbeiter Aktionen zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen unternehmen, und erkennt hier Fortschritte im demokratischen Prozess. Er gab jedoch zu, dass der Weg des Wandels ein steiniger Weg ist, wies aber gleichzeitig auf positive Zeichen in der ganz Welt hin, so den Mindestlohn in Deutschland und den erfolgreichen Kampf für den Mindeststundenlohn von 15 $ in den USA.
In der Debatte über Brasilien und Argentinien brachte er jedoch große Besorgnis zum Ausdruck. In Brasilien bezeichnete er die Angriffe auf den früheren Präsidenten Lula und die heutige Präsidentin Rousseff als inakzeptabel und als Maßnahme, die das neoliberale Modell und Sparprogramme fördern könnte.
Jennings erklärte: “Es muss ein ordnungsgemäßes Verfahren gewährleistet werden. Von der Korruption ging man zum Wirtschaftsmanagement über. Und vergessen wir nicht: die Arbeiterpartei half Millionen von Menschen aus der Armut.”
“Was wir hier sehen, kommt einem modernen Staatsstreich gleich. Rousseff ist das Ziel von Mediengruppen, die mit der rechtsgerichteten Opposition verbunden sind und jeden Tag neue Vorwürfe vorbringen, um die Autorität der Präsidentin zu untergraben.”
Seht euch hier die Videosequenz über Brasilien an: cnb.cx/1VgfRsQ
In Bezug auf Argentinien stellte Jennings fest, dass Präsident Macri seine Macht mit behördlichen Verfügungen ausübt und die Bevölkerung einer wirtschaftlichen Schocktherapie unterzieht, während die so genannten Geier-Fonds der Wall Street zirkulierten und die Vermögenswerte des Landes jederzeit zerschlagen könnten.
Jennings wies darauf hin, dass sich die Preise für Versorgungsleistungen um 300% erhöht haben, die Arbeitnehmer leiden und die Ungleichheit zugenommen hat. Nur eine starke Gewerkschaftsbewegung kann dafür sorgen, dass die Gewinne nicht in die falschen Hände gelangen.”
“Die gewöhnlichen Menschen sind in Not. Investitionen dürfen ihr Ziel – die arbeitende Bevölkerung Argentiniens – nicht länger verfehlen. 150'000 Personen sind im Begriff, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Vertritt Macri das Volk oder Wall Street?”
Seht euch hier die Videosequenz über Brasilien an: cnb.cx/1VfU3gJ
Die Frage, ob Europa nach der Krise mit den europaweiten Sparmaßnahmen seiner eigenen wirtschaftlichen Schocktherapie unterzogen wurde, bejahte er.
“Europa hat tatsächlich eine Schocktherapie durchgestanden – die Menschen haben aufgrund der Wirtschaftskrise gelitten, und sie verdienen nun Besseres,” schloss er.