News
Gründungskonferenz für 4’000 Angestellte privater Krankenhäuser in Kathmandu
Angestellte im privaten Krankenhaussektor in Nepal haben nach Überwindung extrem schwieriger Bedingungen am 7. August in Kathmandu ihre neue nationale Gewerkschaftsföderation im Gesundheitswesen, die Union of Private Hospital and Health Care Workers – Nepal (UNIPHIN) gebildet. Die UNIPHIN vereinigt 14 Gewerkschaften, die 4’000 Angestellte vertritt und ständig wächst.
Auf der Gründungskonferenz wählten die Delegierten ihren neuen Vorstand, bestätigen Gewerkschaftsführer Prithivi Thapaliya als Präsident, bildeten einen Organisierungs-Ausschuss und verabschiedeten ihre neue Satzung. Ein gewaltiger Fortschritt in einer Zeit, in der UNIPHIN-Mitglieder unermüdlich im Einsatz stehen, um örtliche Gemeinschaften nach den verheerenden Erdbeben, bei denen mehr als 8'000 Menschen getötet und Tausende von Familien vertrieben wurden, medizinisch und materiell zu unterstützen
In den letzten 18 Monaten haben Privatkrankenhaus-Angestellte gemeinsam mit dem UNI-Verbindungsausschuss Nepal bezüglich der Vereinigungsfreiheit und angesichts des starken Widerstandes mehrerer großer Krankenhäuser gegen Organisierungsanstrengungen und die Durchführung von Abstimmungen zur Bildung von Gewerkschaften und zur Aushandlung von Tarifverträgen gewaltige Herausforderungen überwunden, mit dem Ziel, im Januar 2015 eine Gewerkschaftsföderation zu bilden.
Nun hat UNIPHIN mehr Aktivisten denn je und mehr Frauen in ihrem Vorstand; auf der Konferenz wurde zudem ein neuer Aktionsplan verabschiedet, der einen Ausbau der Organisierungskampagnen und Rekrutierungs-Blitzaktionen sowie die Erweiterung der Tarifverhandlungen und ein stärkeres Ringen um Tarifverhandlungsresultate vorsieht. UNIPHIN will zudem mehr Einfluss bei politischen Entscheidungsträgern bezüglich ihres Sektors gewinnen, so auch mit Strategien, die sicherstellen, dass die Stimme der Arbeitnehmer in den Krankenhäusern laut und deutlich gehört wird.
Diese Arbeit erfolgt zu einem entscheidenden Zeitpunkt, da der private Krankenhaussektor in Nepal expandiert. Der UNI-Verbindungsausschuss Nepal UNI NLC arbeitet eng mit UNIPHIN zusammen, um in diesem entscheidenden Moment die Stärkung der Gewerkschaften zu fördern. UNICARE, der UNI-Sektor für private Gesundheitsdienste und Sozialversicherung, beglückwünscht UNIPHIN zu diesen wichtigen Maßnahmen und würdigt diese Arbeitnehmer für ihr Engagement für den Schutz der Gesundheit und Sicherheit ihrer Gemeinschaften und für ihre Initiativen zur Mobilisierung für ein effizienteres Gesundheitsvorsorge-System in Nepal für alle – die Erwerbsbevölkerung und die Öffentlichkeit.
Nachstehend kann die von Tansy Hoskins verfasste vollständige Geschichte über die Anstrengungen der Arbeitnehmer zur Bildung von Gewerkschaften in 14 Krankenhäusern nachgelesen werden.
Folgt dem Spendenaufruf Erdbeben Nepal hier zur Unterstützung der Tätigkeiten des UNI NLC, zusammen mit dem australischen Gewerkschaftsrat der Agentur für humanitäre Hilfe APHEDA. UNI-Mitarbeiter stehen weiterhin rund um die Uhr im Einsatz, um die Gewerkschaftsmitglieder, die zu Tausenden von dieser Tragödie betroffen sind, zu unterstützen. Nepal ist eines der ärmsten Länder der Welt, wo die Lebensbedingungen schon vor den Erdbeben extrem schwierig waren. Spenden werden UNI und APHEDA helfen, unser weitgespanntes Netz von Gewerkschaften zu nutzen, um medizinische Ausrüstungen für die Krankenhäuser zu beschaffen und die betroffenen Menschen mit Notunterkünften, Lebensmitteln und Trinkwasser zu unterstützen.
Nepal: Organisierung privater Krankenhäuser als Mittel im Kampf gegen unsichere Arbeit
- von Tansy Hoskins
Wie organisieren wir einen privatisierten Sektor, in dem vornehmlich verängstigte Leiharbeitskräfte beschäftigt sind und der von Entlassungen, Diskriminierung und selbst sexueller Belästigung geprägt ist? Mit diesen Fragen sah sich der UNI-Verbindungsausschuss Nepal, UNI NLC, dem UNI-Mitgliedsorganisationen angehören, konfrontiert.
Das öffentliche Gesundheitswesen in Nepal ist nach den Worten eines Aktivisten am Aussterben und wird durch private Krankenhäuser mit Leiharbeitskräften ersetzt, die bis 2006 überhaupt nicht gewerkschaftlich organisiert waren. Auf einem Schulungslehrgang in Kathmandu, erarbeitete der UNI NLC einen Plan für die Organisierung von Personal in Privatkrankenhäusern. Wie aber sollen diese Arbeitsplätze erreicht werden, ohne Misstrauen zu wecken?
Das Projekt umfasste eine Umfrage während zwei Monaten über den Arbeitsschutz in diesem Sektor mit dem unausgesprochenen Ziel, Kontakte mit potenziellen Gewerkschaftern herzustellen. “Wir trafen viele hervorragende Leute, zum Beispiel in Cafés, und baten sie, uns in unserem Büro zu besuchen“, erklärte Rajendra Kumar Acharya von UNI Asia&Pacific, “die Geschäftsleitung glaubte, dass es sich um eine Umfrage handelte, für uns war es jedoch der Anfang der gewerkschaftliche Organisierung.”
Eine Person, mit der UNI ins Gespräch kam, war Keshav Chaulagain, ein Wartungstechniker im Om Hospital in Kathmandu. Keshav ist sehr kompetent und geschätzt; er arbeitet in einem wichtigen Bereich der Krankenhausinfrastruktur und will die Organisierung im gesamten privaten Gesundheitswesen Nepals anregen. Er trat mit diesem Gedanken zunächst an Freunde und Kollegen heran. Als eine kritische Masse erreicht war, sprachen die Arbeitnehmer beim Management vor und verlangten die Anerkennung der Gewerkschaft, ansonsten sie in den Streik treten würden.
Die Organisierung des Om Hospital war ein besonderes persönliches Anliegen von Keshav. Nepal war Opfer von maoistischen Aufständischen und 2004 wurde Keshav von der Armee, die in ihm einen Sympathisanten der maoistischen Bewegung vermutete, zum Verschwinden gebracht. Monatelang hörte man nichts mehr von ihm und das Om Hospital unternahm nichts, um ihn zu orten. Sechs Monate später wurde Keshav dann ohne Anklage freigelassen. Er kehrte ins Krankenhaus zurück, wo man ihm zu verstehen gab, dass er wegen Nichterscheinen am Arbeitsplatz entlassen werde. Schließlich wurde er wieder eingestellt, doch fand er nach der brutalen Behandlung durch seinen Arbeitgeber einen Rettungsanker in der Gewerkschaft des Om-Krankenhaus-Personals und er wurde zu deren Vizepräsidenten.
Die Nachricht, dass das Om Hospital mit Erfolg organisiert wurde, verbreitete sich auch bei den Angestellten des NMC Hospital an der Peripherie von Kathmandu. Labortechniker Dinesh Pokhrel (heutige Präsident der NMC Hospital Workers Union) war zutiefst beeindruckt von der von Beschäftigten im Om Hospital demonstrierten Einheit. Als ehemaliger Student und Aktivist in seiner Gemeinschaft war Dinesh mit Arbeitsgesetzen bestens vertraut und scharte eine Gruppe von Arbeitnehmern um sich.
NMC-Angestellte hatten bereits früher versucht, sich zu organisieren. Im Bestreben, ihren erneuten Anlauf zum Scheitern zu bringen, boten die Manager Dinesh eine große Abfindung an, wenn er bereit sei, zu gehen – ein Angebot, das er ausschlug. Mit der Unterstützung der örtlichen Gemeinschaft wurde das NMC dann innerhalb von drei Monaten erfolgreich organisiert.
Manju Dotel berät die Mitglieder im KMC Hospital – dem dritten Krankenhaus, das die Anerkennung der Gewerkschaft erreichte. Sie beschrieb, weshalb sie selbst und das Pflegepersonal so dringend eine Gewerkschaft brauchen: “Die Arbeit im Krankenhaus ist mit zahlreichen Problemen verbunden – keine Lohnerhöhungen, kein Urlaub und keine Pflegeausrüstungen. Noch üben Manager und Vorgesetzte viel Druck auf das Pflegepersonal aus. Wir dürfen zum Beispiel während der Dienstzeit keine Verpflegungspausen einlegen. Früher hatten wir 8-Stunden-Schichten, heute sind wir zu 7-Stunden-Schichten oder 12-Stunden-Nachtschichten übergegangen.”
Manju will sich in der Gewerkschaft engagieren und eine Führungsrolle übernehmen. Sie setzt sich für Mitarbeiter ein, denen ungerechtfertigtes Fehlverhalten vorgeworfen wird und die zu einem Austritt genötigt werden. Sie will erreichen, dass alle Mitarbeiter Bildungsfreistellung erhalten: “Wir haben keine Zeit für die Weiterbildung, doch ist es wichtig, dass wir unsere Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten weiterentwickeln. Im Bereich der Medizin sind wir ständig mit neuen Technologien und Praktiken konfrontiert.”
Dies ist der Fall im Kantipur Hospital, dem vierten Krankenhaus das organisiert werden soll und das vielleicht am deutlichsten die Gefahren aufzeigt, denen Leiharbeitskräfte ausgesetzt sind. Abgesehen von schlechten Löhnen und Bedingungen ist das weibliche Personal in Kantipur mit sexueller Gewalt und Ausbeutung konfrontiert.
Während den Organisierungskampagnen wurden die Aktivisten von einer Frau angesprochen, die erklärte, dass sie vom Direktor des Krankenhauses belästigt werde. Eine andere Frau meldete sich zu Wort, und dann noch eine, usw. Die Aktivisten entdeckten, dass der Direktor den Zeitarbeitskräften als Gegenleistung für intime körperliche Beziehungen permanente Jobs versprach.
Gewerkschaftsaktivisten beschlossen, zu handeln: sie dokumentierten zahlreiche Beispiele sexueller Belästigung und sammelten mit versteckter Kamera Beweise für die Verbrechen des Direktors. Diese Anstrengungen zum Schutz des weiblichen Personals führten zu einer breiten Unterstützung der jungen Gewerkschaft. Vor dem Krankenhaus wurde eine Massenkundgebung organisiert und die Arbeitnehmer erklärten: wir besitzen Beweise für die Verbrechen des Direktors.
Nachdem der Direktor entlassen worden war, wurden ähnliche Beschwerden gegen den Vorsitzenden des Krankenhauses erhoben. Erst nach koordinierten Streiks wurde auch er gefeuert – dabei wurden sechs Gewerkschafter entlassen, später aber wieder eingestellt.
Bikash Adhikari, ein Assistent auf der Unfall- und Notfall-Station Kantipur, spielte eine zentrale Rolle bei der Gründung der Kantipur Hospital’s Workers Union und ist heure ihr Präsident. Seine Abteilung muss einen ständigen Zustrom von Verkehrsunfall- und Verbrennungsopfern bewältigen: “Hier kommen Menschen in einem kritischen Zustand an, und die Verwandten der Betroffenen erwarten eine große Unterstützung vom Personal auf der Notfallstation”, erklärt er. “Manchmal sind die Chefärzte nicht auf der Station, dann muss das Pflegepersonal die Rolle der Ärzte übernehmen, wodurch es stark unter Druck gesetzt wird.”
4’000 Angestellte privater Krankenhäuser werden nun von 14 Gewerkschaften im Rahmen der Gewerkschaftsförderation UNIPHIN betreut, die von der Regierung Nepals im Dezember 2014 anerkannt wurde. Prithivi R. Thapaliya, Augenarzt im Om Hospital und Präsident der Gewerkschaftsföderation Nepals, UNIPHIN, freut sich über die erzielten Fortschritte, betont aber, dass die Viktimisierung und der Druck von Seiten des Managements nicht nachgelassen haben.
“Die größte Herausforderung stellen die befristeten Arbeitsverträge dar, die Leute werden temporär beschäftigt und ihr Arbeitsplatz ist nicht gesichert“, erklärte er, “die Mitarbeiter haben Angst vor dem Management und beteiligen sich nicht an der Gewerkschaftsarbeit. Nur über den Organisierungsprozess können wir ein Gegengewicht schaffen: Zu allererst bilden wir die Gewerkschaft, dann nehmen wir den Dialog mit der Geschäftsleitung auf, um Festanstellungen für das Personal zu erhalten.” Mit diesem Plan will man in Zukunft versuchen, weitere Krankenhäuser zu organisieren und noch mehr Beschäftigte für die UNIPHIN zu gewinnen, um den Trend in diesem Sektor, Personal mit Zeitverträgen zu beschäftigen, zu brechen.