News
BBC-Interview: Jennings gibt zu bedenken, dass die Auswirkungen der Tragödie des Rana Plaza nicht verschwinden werden
Der Generalsekretär von UNI Global Union, Philip Jennings, erklärte dem Sender BBC World Service, die Auswirkungen der Rana-Plaza-Tragödie, bei der im April 2013 über 1 100 Beschäftigte – hauptsächlich junge Frauen – ums Leben kamen, nicht vergessen würden.
Jennings erklärte dem Programm Business Daily der BBC, dass sich Marken oder Regierungen gewaltig täuschen würden, wenn sie der Meinung seien, dass die Erinnerung an die Opfer der Rana-Plaza-Tragödie unter den Teppich gekehrt werde.
„Möglicherweise herrscht der Eindruck oder das Gefühl, dass dieses Problem ganz einfach verschwinden werde: Jene Bilder der Rana-Plaza-Tragödie und die damit verbundenen schieren Zahlen, die über eintausend Toten und zweitausend Verletzten, die Tränen, die Emotion und das Drama, das Menschen in aller Welt betroffen hat, machen diese Katastrophe nach wie vor zu einem äußerst aktuellen Thema, das sich ins Gedächtnis der Menschen eingebrannt hat und das sie nicht vergessen können. Es ist diese Hoffnung da, dass dies alles ganz einfach verschwinden wird. Das ist nicht der Fall“, sagte Jennings.
Jennings vermittelte der Regierung Bangladeschs eine deutliche Botschaft: Sie muss es besser machen.
„Was uns in Bangladesch vor allem stört, ist die Tatsache, dass die Regierung Bangladeschs die Reform des Arbeitsrechts nur schleppend umsetzt. Sie ist im Rückstand mit der Einführung einer angemessenen Regelung für Fabrikinspektionen“, so Jennings.
Jennings fügte hinzu, die Regierung Bangladeschs dürfe von dem mächtigen Verband der Bekleidungshersteller und ‑exporteure Bangladeschs nicht negativ beeinflusst werden.
Er wies ferner auf den Fehlbetrag bei der für den Rana-Plaza-Entschädigungsfonds erforderlichen Finanzierung hin. Es gab eine positive Reaktion auf den kürzlich erfolgten Aufruf von Jennings anlässlich des OECD-Forums für verantwortungsvolles Unternehmertum, doch sind nach wie vor rund 22 Mio. USD erforderlich, um das Ziel von 40 Mio. USD zu erreichen.
Hört das vollständige BBC‑Interview mit Philip Jennings sowie das restliche Programm mit einem Kommentar des Handelsministers Bangladeschs, Tofail Ahmed, der darauf beharrt, dass die Fabriken sicherer seien, sowie eine Debatte zwischen dem Schriftsteller und Journalisten Tansy Hoskins, Autor des Werks „Stitched Up: The Anti‑Capitalist Book of Fashion“, und Ben Powell, Direktor des Instituts für freie Marktwirtschaft.
Hoskins hebt hervor, das Bangladesch-Abkommen, dem nunmehr über 180 Marken beigetreten sind, wäre ohne die treibende Kraft der Global Unions UNI und IndustriALL nie zustande gekommen. Hoskins widerlegt zudem das Argument von Powell, dass die Art Ausbeuterbetriebe, die im Rana Plaza untergebracht sind, in gewisser Weise die Anfänge einer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in einem Entwicklungsland darstellten.
Bangladesch-Abkommen: Wo stehen wir heute?
Es ist über ein Jahr her, seit Bangladesch den schlimmsten Industrieunfall in der modernen Geschichte erlebte und UNI, IndustriALL sowie verschiedene führende NRO Maßnahmen ergriffen, um zu versuchen, die nächste Tragödie wie diejenige im Rana Plaza zu verhindern. Das von UNI und IndustriALL ausgehandelte Bangladesch-Abkommen für Brandschutz und Gebäudesicherheit verbessert das Leben der Bekleidungsbeschäftigten in Bangladesch, doch gibt es nach wie vor viel zu tun, insbesondere in Bezug auf das Führungsverhalten der Regierung Bangladeschs sowie auf die Entschädigungszahlungen der Marken mit Verbindung zum Rana Plaza.
Der Entschädigungsfonds steht bei 18 Mio. USD, was weit von den 40 Mio. USD entfernt ist, die für eine angemessene Entschädigung der 1 138 Opfer, der Verletzten und ihrer Angehörigen erforderlich sind. Es sind jedoch positive Anzeichen vorhanden, dass weiterer Druck auf die Marken mit Verbindung zum Rana Plaza ausgeübt wird, um sie zur Zahlung zu zwingen. Kürzlich verpflichteten sich sieben OECD-Regierungen, die verantwortlichen Marken mit Hauptsitz in ihren Ländern zu konfrontieren und zu fordern, dass sie die volle Entschädigung zahlen. Der TUC übt ebenfalls Druck auf britische Marken wie Matalan aus.
Ein umfassendes Fabrikinspektionsprogramm ist im Gange. Jede Fabrik wird auf bautechnische Sicherheit sowie Brandschutz und elektrische Sicherheit überprüft. Bis Oktober dieses Jahres wird das Team des Abkommens 1 500 Fabriken kontrolliert haben. Dieses engagierte Team von über 100 technischen Experten und Ingenieuren führt pro Woche über 30 Inspektionen durch.
Bisher wurden über 850 Fabriken auf Brandschutz und elektrische Probleme und 930 auf bautechnische Sicherheit kontrolliert.
Das Abkommen wurde von UNI und IndustriALL, verschiedenen Gewerkschaften Bangladeschs sowie über 180 Marken aus 20 Ländern in Europa, Nordamerika, Asien und Australien unterzeichnet. Nahezu die Hälfte aller am Exportmarkt tätigen Fabriken in Bangladesch sowie zwei Millionen Beschäftigte werden von dessen Geltungsbereich erfasst.
Die weltweite Gewerkschaftsbewegung und NRO versuchen seit Jahren, jedoch ohne Erfolg, eine unabhängige Regelung für die Sicherheitsinspektion für Bangladesch – der weltweit zweitgrößten nationalen Bekleidungsindustrie – einzuführen. Rana Plaza erwies sich als der tragische Wendepunkt für eine Veränderung. IndustriALL und UNI erarbeiteten einen rechtsverbindlichen Fünfjahresplan und teilten den Marken mit, die Uhr ticke buchstäblich, mit einer Frist, die auf den 15. Mai angesetzt ist. Was mit einem Bruchteil von Marken begann (vor Ablauf der Frist hatte lediglich eine Handvoll Marken unterzeichnet), entwickelte sich zu einer wahren Flut. Bis heute haben 183 Marken das Abkommen unterzeichnet.
Transparenz ist ein Schlüsselmerkmal des Abkommens – die Inspektionsberichte sind verfügbar auf der Website des Bangladesch-Abkommens
Jede Inspektion enthüllt den vollen Umfang der laschen Brandschutz- und Sicherheitsnormen, die Jahrzehnte im Rückstand sind. Bei insgesamt 14 Gebäuden wurde festgestellt, dass sie bedenklich unsicher sind und vorübergehend evakuiert werden müssen, um vollständig geschlossen zu werden.
Das bedeutet, dass wir dafür sorgten, dass rund 30 000 Beschäftigte nicht mehr in extrem unsicheren Gebäuden arbeiten, die ein weitere Katastrophe wie im Rana Plaza verursachen könnten. In sieben dieser Fälle wurde nachträglich entschieden, dass eine Teilbesetzung unter strengen Bedingungen zugelassen werden könne, beispielsweise indem auf den höheren Etagen viel Gewicht entfernt wird. Gemäß dem Wortlaut des Abkommens sollen die Marken mit den Fabrikbesitzern zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Löhne der Beschäftigten auch dann bezahlt werden, wenn die Fabriken geschlossen sind.
In jeder einzelnen Fabrik wurden kritische Probleme festgestellt, deren Behebung die Voraussetzung für künftige Geschäfte mit den Unterzeichnermarken ist. Übliche Probleme sind fehlende Brandschutztüren, verschließbare Tore an den Ausgängen, Gebäude, die nicht konzipiert sind, um ihre Last zu tragen, unzulängliche Feuerleitern an den Ausgangswegen, automatische Feuermeldeanlagen, die aufgerüstet werden müssen, und die Notwendigkeit einer besseren Abstützung und eines verbesserten Gehäuses für Stromkabel.
Bis Mai des nächsten Jahres wird das Bangladesch-Abkommen die erste Inspektionsrunde abgeschlossen haben. Die nächste Herausforderung wird darin bestehen, alle erforderlichen Sanierungen und Instandsetzungen fristgerecht vorzunehmen. Gemäß dem Abkommen sind die Marken zuständig dafür, mittels verbesserter Kalkulation, Krediten und sonstiger Mittel sicherzustellen, dass die Sanierungen finanziell tragbar sind.
Obwohl sich der Aufgabenbereich des Abkommens auf Brandschutz und bautechnische und elektrische Sicherheit beschränkt, zielt es darauf ab, ein nachhaltiges Modell für Verantwortung und Rechenschaftspflicht auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes zu schaffen, wobei die Beschäftigten in den Fabriken in vollem Umfang beteiligt sind.
Alle Unterzeichner, Marken und Gewerkschaften verpflichten sich, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um sicherzustellen, dass sich die Rana-Plaza-Tragödie nicht wiederholt. Die ist mehr als lediglich die größte Unternehmensgeschichte der letzten 18 Monate – es ist eine rote Linie, dass es kein „Business as usual“ in der gesamten weltweiten Versorgungskette mehr geben kann. Rana Plaza hat deren Regeln für immer verändert.