Statement „Auseinandersetzung bei der Deutschen Post AG“
Andrea Kocsis
Stellvertretende ver.di-Vorsitzende
Bundesfachbereichsleiterin Postdienste, Speditionen und Logistik
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
auch ich darf Sie von meiner Seite ganz herzlich begrüßen. Ich freue mich, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Wir bereiten uns derzeit auf eine konfliktreiche Auseinandersetzung mit der Deutschen Post AG vor. Sollte der Arbeitgeber nicht beidrehen, wird ab 1. April gestreikt.
Was ist die Ausgangslage?
Der Tarifvertrag zum Schutz vor betriebsbedingten Beendigungskündigungen für die 130 000 Tarifbeschäftigten der Deutschen Post AG läuft zum 31. März 2008 aus.
Ebenso läuft zum 31. März 2008 die zeitlich befristete Regelung in der sogenannten Postarbeitszeitverordnung aus, wonach für die 55 000 Beamtinnen und Beamten der Deutschen Post AG die 38,5 Stundenwoche gilt. Verordnungsgeber ist da der Bundesfinanzminister. Ohne Anschlussregelung droht den Beamtinnen und Beamten der Post, die Beamte des Bundes sind, ab 1. April automatisch die 41 Stundenwoche.
ver.di fordert von der Deutschen Post AG, dass der Ausschluss betriebsbedingter Beendigungskündigungen über den 31. März hinaus verlängert wird.
Und wir fordern, dass die Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden für die Beamtinnen und Beamten bei der Deutschen Post AG unbefristet fortgeschrieben wird.
Die Deutsche Post AG hat sich in diesen Fragen für tot erklärt und spielt auf Zeit. Wir können aber nicht warten. Unsere Mitglieder erwarten Sicherheit und Perspektive. Und wenn sich hier nichts tut, dann werden die Mitglieder von ver.di am 1. April auf der Straße stehen und Druck ausüben.
Eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit um 2,5 Stunden pro Woche bei den 55 000 Beamtinnen und Beamten würde 5 000 Arbeitsplätze vernichten. Wir befürchten, dass die Post in einem zweiten Schritt Arbeitszeit für die Tarifkräfte erhöhen will. Damit wären weitere 10 000 Arbeitsplätze in Gefahr. Das sind rechnerisch zusammen 15 000 Vollzeitarbeitsplätze.
Das nimmt die Gewerkschaft ver.di nicht hin. An der Arbeitszeit wird nicht gerüttelt und ich sage in aller Deutlichkeit: Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr als dass es eine Arbeitszeiterhöhung bei der Deutschen Post AG gibt.
Wir haben uns handlungsfähig gemacht und die Arbeitszeitregelungen für die 130 000 Tarifkräfte aufgekündigt. Auch hier endet die Friedenspflicht mit Ablauf des 31. März 2008. Damit ist für uns der Weg frei, im Zweifel über eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich eine Sicherung der Arbeitsplätze durchzusetzen.
Und ich darf Ihnen an dieser Stelle versichern: Die Stimmung in den Betrieben ist gut!
Sie wissen, verehrte Damen und Herren, seit 1. Januar 2008 gibt es den gesetzlichen Mindestlohn von acht bis 9,80 Euro für die Briefdienstleistungsbranche. Wir haben dafür gekämpft. Der Mindestlohn schützt vor Lohn- und Sozialdumping. Der Mindestlohn reguliert den Wettbewerb. Unternehmen, deren Geschäftsmodell es ist, auf Lohndumping zu setzen, werden den Betrieb einstellen. Das ist die gewollte ordnungspolitische Funktion von Mindestlöhnen. Und ich füge an: Wir wollen das! Arbeit nicht um jeden Preis.
Die Rahmenbedingungen also, sie sind stabil. Die Geschäfte der Post laufen prächtig. Sie werden in der vergangenen Woche mit verfolgt haben, dass es auch im speziellen im Briefgeschäft keine Einbrüche gibt, sondern Umsatz und EBIT nach oben geklettert sind und für 2008 selbiges prognostiziert ist. Es wachsen dem Unternehmen neue Kunden zu.
Die Deutsche Post AG könnte allein angesichts der aufgelaufenen Überstunden und Resturlaubsansprüche auf einen Schlag locker 10 000 (rpt. 10 000) Vollzeitbeschäftigte einstellen.
Jedes andere Unternehmen in diesem Land freut sich über volle Auftragsbücher und stellt neue Leute ein. Was aber macht die Post? Sie will die Arbeitszeit für die Beschäftigten erhöhen.
Meine Damen, meine Herren,
das ist ein beschäftigungspolitischer Skandal. Dieser „Ich krieg den Hals nicht voll-Strategie“ muss ein Riegel vorgeschoben werden.
Wir erwarten, dass die Deutsche Post AG auf den Boden des normalen Unternehmertums zurückkehrt. Wir fordern die Post AG auf, ihre Zusage vom Herbst des vergangenen Jahres einzulösen und die in Not geratenden Beschäftigten der neuen Briefdienste einzustellen. Und zwar nicht zögerlich, sondern beherzt!
Sie wissen, die 55 000 Beamtinnen und Beamten der Deutschen Post AG werden vom Unternehmen bezahlt. Sie kosten also den Bundeshaushalt keinen Cent. Würde der Bundesfinanzminister grünes Licht für eine Wochenarbeitszeiterhöhung der Beamten von 38,5 auf 41 Stunden geben, dann wäre das ein Wettbewerbsgeschenk der Politik an die Post von 2,5 Stunden unbezahlter Mehrarbeit auf dem Rücken der Beschäftigten. Eine Erhöhung der Arbeitszeit der Beamten um 2,5 Stunden entspricht einem Einkommensminus von 6,5 Prozent. Das wäre dann sozusagen staatliche Beihilfe zum Lohnklau.
Das allerdings, verehrte Damen und Herren,
kann nicht das Wollen der Bundesregierung und kann nicht das Wollen der Regierungspartei SPD sein.
Die Spezialisten unter ihnen werden sich daran erinnern, dass wir bereits zwei Mal eine Auseinandersetzung um diese Frage der Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten bei der Post AG geführt haben. Das war im Dezember 2006 und das war im Mai 2007. Unter massiver Streikandrohung haben wir seinerzeit eine Verlängerung der befristeten Regelung der 38,5 Stundenwoche durchgesetzt. Zunächst bis zum 30.6.2007 und dann nochmals bis zum 31.3.2008.
Alle drei sogenannten Postnachfolgeunternehmen, die Deutsche Telekom AG, die Deutsche Postbank AG und die Deutsche Post AG haben jeweils eine von den Regelungen der Bundesbeamten abweichende Arbeitszeitverordnung. Mit Arbeitszeiten anlog derer der Tarifbeschäftigten. Bei der Telekom und bei der Postbank sind diese Regelungen unbefristet.
Wieso das bei der Post anders ist werden sie sich fragen. Und ich darf Ihnen versichern, wir fragen uns das auch. Im Jahr 2006 haben das Bundesfinanzministerium und die Deutsche Post AG dazu argumentiert, dass das Unternehmen erhebliche Anstrengungen unternehmen müsse, um sich der Unterbietungskonkurrenz durch Lohndumping im Wettbewerb auf dem Postmarkt zu behaupten.
Ich stelle fest: Seit 1. Januar 2008 gibt es den Mindestlohn von acht bis 9,80 für die Briefdienstebranche, so dass diese Argumentation ins Leere läuft. ver.di erwartet vom Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und von dem Arbeitgeber Deutsche Post AG, dass die Wochenarbeitszeit für die Beamten ab 1. April unbefristet auf 38,5 Stunden festgelegt wird.
Arbeit ist genug da. Jetzt brauchen die Beschäftigten Sicherheit und Perspektive. Das heißt: Der Ausschluss betriebsbedingter Beendigungskündigen muss über den 31. 3. 2008 hinaus verlängert werden. Die Arbeitszeit der Beamten muss ein für alle mal auf 38,5 Stunden festgeschrieben werden.
Verehrte Damen und Herren,
wir haben die Arbeitszeit gekündigt. Die Post AG hat darauf inzwischen reagiert, indem sie Verhandlungstermine am 18.3, 28.3. und 9.4 2008 angeboten hat. Jetzt gilt es, die genannten Baustellen zu bearbeiten. Die Mitglieder von ver.di lassen sich nicht ins Posthorn jagen. Wir sind für einen Arbeitskampf zum 1. April gerüstet. Und jeder weiß: Die Postlerinnen und Postler können kämpfen.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.