Europäische Säule sozialer Rechte – ein starkes soziales Europa
„Europa gemeinsam verändern“ erkennt einen langsamen Kurswechsel in der europäischen Diskussion zur sozialen Dimension der EU. Dies zeigt sich in der allgemeinen Debatte über die Zunahme der Ungleichheit, den Brexit und die Digitalisierung.
Die diesbezüglich wichtigste Initiative auf europäischer Ebene ist die Einführung einer europäischen Säule sozialer Rechte. Nach Auffassung von UNI Europa muss das Ziel sein, das Ungleichgewicht zu beseitigen, das zwischen EU-Rechtsvorschriften im Bereich Wirtschaft und den sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften auf nationaler Ebene besteht, die oft von Ersteren unterminiert werden. Was wir wirklich brauchen, ist ein Europa, das für die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen aller EU-Bürgerinnen und -Bürger eintritt und soziale Rechte an erste Stelle setzt. Stattdessen müssen wir beobachten, dass die EU weiter einen neoliberalen EU-Binnenmarkt mit neuen Geschäfts- und Beschäftigungsmodellen forciert, der bestehende Arbeitsnormen aushöhlt.
Die Europäische Kommission hat die Initiative unter das Motto „Ein soziales „AAA“-Rating für Europa“ gestellt. Nach unserer Einschätzung hat das soziale Europa derzeit jedoch nur Ramschniveau oder ist kurz vor dem Totalausfall. Während die EU verstärkt das soziale Europa thematisiert, gehen die tatsächlichen Aktivitäten in die komplett andere Richtung, insbesondere in Bezug auf Arbeitnehmerrechte. Ein Beispiel hierfür ist der Entwurf zu Insolvenzen und Unternehmensumstrukturierungen: Der Vorschlagsentwurf sieht unter anderem vor, die Bevorzugung von Arbeitnehmern gegenüber anderen Gläubigern zu streichen, bestehende Arbeitnehmerschutz- und Anhörungsrechte abzubauen und sogar das Streikrecht infrage zu stellen.
UNI Europa begrüßt, in Abstimmung mit dem EGB, eine Säule sozialer Rechte, jedoch eine, die mehr ist als eine reine Absichtserklärung, und tritt daher für ein umfassendes sozialpolitisches Aktionsprogramm ein, das Gesetzgebung, politische Entscheidungsmechanismen und finanzielle Ressourcen einschließt. Ziel der EU muss es sein, dass Erwerbsarbeit auf Grundlage von Gerechtigkeit, Fortschritt und sozialer Sicherheit wieder eine positive und planbare Zukunft gewährleistet. Wir brauchen eine breite Arbeiterklasse ohne prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen.
Ein Kernelement eines solchen sozialpolitischen Aktionsprogramms sind politische und legislative Maßnahmen, die in ganz Europa den sozialen Dialog und Tarifverhandlungen auf allen Ebenen fördern. In diesem Rahmen muss insbesondere das Vereinigungsrecht garantiert und die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften gegenüber multinationalen Unternehmen auf nationaler Ebene gestärkt werden.
Weitere Ziele für politische und legislative Maßnahmen sind:
- sicherstellen, dass Arbeitgeber bestehende nationale oder europäische Verpflichtungen gegenüber ihren Arbeitnehmern nicht umgehen können und Regierungen Arbeitnehmerrechte nicht abbauen können bzw. nicht dazu gezwungen werden können;
- Sozialpartner von Beginn an auf EU- und nationaler Ebene in Entscheidungsprozesse bezüglich Rechtsvorschriften von sozialer Relevanz einbinden;
- proaktiv die Arbeitnehmeraspekte der Digitalisierung thematisieren und einen gerechten Übergang gewährleisten;
- EU-Investitionsprogramme mit Schwerpunkt auf der Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze deutlich erhöhen und allgemeines Lohnwachstum in Europa fördern;
- Systeme der sozialen Sicherheit reformieren, um einen angemessenen Lebensstandard für alle, einschließlich Arbeitnehmern in atypischen Beschäftigungsverhältnissen, sicherzustellen.
UNI Europa wird, gemeinsam mit dem EGB, dem europäischen Gewerkschaftsverband und der gesamten Bewegung, weiter für eine europäische Säule sozialer Rechte mit konkreten Verbesserungen für die Arbeitnehmer eintreten. Das aktuelle Positionspapier zur Säule der sozialen Rechte des EGB und der EGB-Plattform für die Zukunft Europas ist beigefügt.