Hoher Repräsentant Christian Schwarz-Schilling ruft die Sozialpartner dazu auf, den Wiederaufbau in Bosnien und Herzegowina mitzubestimmen
Bald Kollektivvertrag im Handel möglich?
Der Hohe Repräsentant und Repräsentant der Europaeischen Union in Bosnien und Herzegowina ruft die Sozialpartner dazu auf, eine zunehmend wichtigere Rolle im Wiederaufbauprozess des Landes zu spielen. Während der vergangenen elf Jahre hat Europas gewaltsamster Konflikt seit Ende des Zweiten Weltkrieges für das Land im Westbalkan einen schwierigen Wiederaufbau- und Aussöhnungsprozess nach sich gezogen. Nun reduziert die Internationale Gemeinschaft allmählich ihre Präsenz und die lokalen Politiker müssen entscheidende Verantwortung übernehmen. Dies ist meist nicht leicht, wenn die nationalistische Tagesordnung die Oberhand über wirtschaftliche und soziale Ziele behält. Doktor Christian Schwarz-Schilling, Hoher Repräsentant und Repräsentant der Europaeischen Union für Bosnien und Herzegowina, erwartet eine stärke Einbindung der Sozialpartner. Am 09. März 2007 sprach er auf einer wichtigen Konferenz in Sarajevo, wo über 150 Arbeitgeber, Gewerkschafter und andere Verbändevertreter sich für eine Stärkung des Sozialdialoges und intensivere Zusammenarbeit aussprachen. Zum ersten Mal fand in diesem Land, welches sich über ein Jahrzehnt noch immer in der mühevollen Wiederaufbauphase nach Gewalt und Krieg befindet, eine so große Konferenz zu diesem Thema statt. Die Veranstaltung stellte eindeutig einen Wendepunkt dar. Wirtschafts- und Sozialthemen werden zunehmend zum politischen Schwerpunkt. Dies wäre auch zur Vorbereitung des angekündigten Rückzugs der internationalen Gemeinschaft nötig, was zur Übernahme der Entscheidungsverantwortungs- durch die lokalen Politiker führen wird. Dr. Schwarz-Schilling neben Alexandra Rüdig (links), Seniorberaterin im OHR und ehemalige Projektdirektorin von UNI Handel, und Dr. Christina Catherine Krause, Direktorin der Konrad Adenauer Stiftung in Sarajevo. Die Politiker sollten sich bemühen, nicht zu mutmaßen, was die Wirtschaftsvertreter von ihnen erwarten oder nicht sogar deren Empfehlungen ignorieren. Dies war am vergangenen Freitag die Botschaft des Hohen Repräsentanten Christian Schwarz-Schilling an die Konferenzteilnehmer in Sarajevo. Mehr als 150 hochrangige Vertreter der Arbeitgeberverbände, Wirtschaftskammern, Unternehmen, Gewerkschaften und anderer Wirtschaftsverbände hatten an der Konferenz teilgenommen. - Ich sage den Regierungsvertretern, den Arbeitgebern und den Arbeitnehmervertretern: Keiner von Ihnen hat das Vermögen, seine Ziele zu erreichen, ohne eine Zusammenarbeit mit den anderen, so der Hohe Repräsentant. Er forderte die Regierung, einschliesslich den anwesenden Minister für Außenhandel und Wirtschaftsbeziehungen, Slobodan Puhalac, dazu auf, gemeinsam mit den Arbeitgebern und den Arbeitnehmervertretern einen "kreativen und praktischen Dialog" aufzubauen. Sozialpartner erwarten von der Regierung die rasche Einrichtung des Wirtschafts- und Sozialrates Dr. Schwarz-Schillings Aufruf wurde von den Wirtschaftsvertretern, die in unerwartet hoher Zahl erschienen waren und teilweise schon auf dem Boden und an den Ecktischen im überfüllten Konferenzraum Platz finden mussten, mit Begeisterung aufgenommen. Sie erwaten nun von der Regierung, so bald wie möglich einen dreiparteiischen Wirtschafts- und Sozialrat zu errichten. Dieser soll den Sozialpartnern als Forum dienen, deren Dialog einen positiven Einfluss auf die Wirtschaftsentwicklung des Landes nehmen könnte, wo sich für viele Politiker aus den verschiedenen Bevölkerungsgruppen die konstruktive Zusammenarbeit noch immer schwierig gestaltet. Bosnien und Herzegowina stellt noch immer keinen einheitlichen Wirtschaftsraum. Wirtschafts- und Arbeitsfreizügigkeit zwischen den beiden Entitäten, der Föderation und der Republika Srpska, ist nur unzureichend gegeben. Dies erschwert nicht nur die notwendigen Wirtschafts- und Sozialentwicklungen und die Verwirklichung engerer Beziehungen mit der Europaeischen Union. Es ist gleichermassen ein destabilisierender Faktor für das Land und die gesamte Region. Wirtschaft als Schwerpunkt und ein grösseres Engagement der Sozialpartner wäre daher von ausserordentlicher Bedeutung. Besonders die Arbeitgeber müssen ihre Verbände starken, um in einen wirksamen Dialog einsteigen zu können. Die Gewerkschaften sind dagegen bereits wesentlich besser organisiert. Antonio Peñalosa, Generalsekretär der, in Genf ansässigen, Internationalen Organisation der Arbeitgeber, IOE, versprach weitere Unterstützung durch seine Organisation, um den Prozess zu beschleunigen. Er wies auf die Verpflichtung hin, die sich für alle Regierungen aus den internationalen fundamentalen ILO Arbeitskonventionen ergeben und mahnte zur schnellen Umsetzung des bereits vereinbarten Wirtschafts- und Sozialrates. Dieser Rat soll die unabhängigen Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften in einen Dialog mit der Regierung einbinden und der Wirtschaftsgemeinschaft eine starke Stimme verschaffen. Kollektivvertrag im Handel könnte einen Weg für die Einbindung der sektoralen Sozialpartner bahnen Der Handelssektor könnte als erster und und grösster Privatsektor eine Vorreiterrolle in diesem Prozess spielen. UNI Handel hat seit Unterzeichung des Daytoner Friedensabkommens 1995 eng mit den Gewerkschaften und anderen Wirtschaftsvertretern des Landes zusammengearbeitet und den Aufbau von Arbeitsbeziehungen und des Sozialdialoges in diesem dynamischen Sektor unterstützt. Die Gewerkschaften in Bosnien und Herzegowina werden eine wichtige Rolle spielen, wenn sich die Vertreter der Wirtschaft Einfluss und Teilnahme verschaffen. Das 'Dom Sindikata' in Sarajevo ist der Sitz des Gewerkschaftsbundes des Landes. Der Vorsitz wechselt im Turnus und wird derzeit von Edhem Biber gehalten. Mit mehr als einer halben Million Mitgliedern in beiden Entitäten und in allen Landesteilen, wird auch die Gewerkschaft eine Schlüsselrolle im dreiparteiischen Wirtschafts- und Sozialrat spielen der nun etabliert werden soll. Alija Remzo Baksic, Präsident des Arbeitgeberbundes, betonte, dass gute Arbeitsbeziehungen zwischen den Bünden der Sozialpartner aufgebaut worden seien. Dies bestätigte auch Edhem Biber, Vorsitzender des Gewerkschaftsbundes von Bosnien und Herzegowina. Der Bund umfasst die Gewerkschaftsstrukturen in beiden Entitäten und im Brcko Distrikt und zählt rund eine halbe Million Mitglieder. Mr. Baksic berichtete auch, dass ein Branchenkollektivvertrag vielleicht schon bald unterzeichnet werden könnte. Dies wurde von Azra Sehbajraktarevic, Vorsitzender der Handelsgewerkschaft begrüsst. Die gewerkschaftlichen Strukturen im Handel wurden von UNI Handel und deren norwegischen Mitgliedsorganisation Handel og Kontor HK lange unterstützt. Jan Furstenborg von UNI Commerce, der den Europaeischen Sozialdialog im Einzelhandels- und Vertriebssektor leitet, begrüsste die Initiativen des OHR für die Entwicklung der Beteiligung der Wirtschafts- und Sozialakteure sowohl im Rahmen des State-building Prozesses, als auch für die Vorantreibung der Wiederbelebung der leidenden Wirtschaft von Bosnien und Herzegowina. Nur durch Schaffung von Arbeitsplätzen und durch regelmässige Einkommen kann die derzeitige Instabilität überwunden werden. Furstenborg lobte die positiven Entwicklungen bei der Schaffung von Kollektivverträgen für den Handelssektor und schlug vor, dass die Sozialpartner eine Möglichkeit bekommen sollten, den Europaeischen Sozialdialog im Handel zu beobachten. Wirtschafts- und Sozialentwicklungen werden durch nationalistische Tagesordnungen blockiert Die Konferenz in Sarajevo, die vom Büro- des Hohen Repräsentanten OHR mit Unterstützung der deutschen Konrad Adenauer Stiftung organisiert worden war, bot eine Reihe von Podiumsdiskussionen, an denen auch Vertreter europäischer und internationaler Verbände teilnahmen. Mehr als die Hälfte der Menschen in Bosnien und Herzegowina sind arbeitslos. Das Land muss daher seinen Schwerpunkt stärker auf Wirtschafts- und Sozialthemen legen. So lautete die unmissverständliche Botschaft der Wirtschaftsgemeinschaft an die Politiker des Landes, die auch von Arbeitgebern und Gewerkschaften auf der kürzlich abgehaltenen Konferenz in Sarajevo ausgesprochen wurde. Ein wichtiger Vertreter ist die Zentralbank (oben die Hauptniederlassung auf der Strasse des Marschall Tito, der grössten Einkaufsstrasse der Hauptstadt). Bisher fehlt ein Sprachrohr für die Stimme der Wirtschaftsvertreter. Die Politiker müssen endlich aufhören, sich den Forderungen zu versperren und einen Wirtschafts- und Sozialrat gründen. Dieser könnte ernsthafte Verantwortung für die offenen Wirtschaftsfragen des Landes übernehmen, wenn die Internationale Gemeinschaft ihre Einflussnahme endgültig zurücknimmt. Den Preis für die falsche Prioritätensetzung der Politiker wird von den einfachen Menschen gezahlt, von Arbeitnehmern und ihren Familien, die nur schwer ihren Lebensunterhalt bestreiten können und die nur wenig Hoffnung in eine Verbesserung der katastrophalen Arbeitslosigkeit legen. So lange Politiker sich weiter hinter dem Rücken der Internationale Gemeinschaft verstecken und nötige Entscheidungen auf den Schreibtisch des Hohen Repräsentanten schieben, kann sich an der Situation nur wenig ändern. Die Konferenz in Sarajevo hat gezeigt, dass die Geduld in der Wirtschaftswelt und bei den Sozialpartnern bereits angespannt ist. Nun wird eine konstruktivere und realistischere Vorgehensweise von der Regierung erwartet. Politiker in Bosnien und Herzegowina müssen Verantwortung übernehmen Arbeitgeber und Gewerkschaften sind bereit zur Übernahme ihrer Verpflichtungen. Sie wollen dazu beitragen, dringende Wirtschafts- und Sozialthemen auf die politische Tagesordnung zu heben. Dies erwartet auch der Hohe Repräsentant. In seiner programmatischen Rede auf der Konferenz hebt er hervor: - Jammern darüber, dass die Politiker die Bälle nicht auffangen und zurückwerfen wollen oder dass die Öffentlichkeit die maßgebende Rolle von Wirtschaftsverbänden noch nicht verstanden hat, wird das Problem nicht lösen, so Schwarz-Schilling. - Wenn die Politiker nicht Ball spielen wollen, dann müssen Sie diese dazu bewegen. Sie müssen Ihre politischen Vertreter davon überzeugen, dass sie mehr daraus gewinnen können, wenn sie Ihnen zuhören, als wenn sie Sie weiter ignorieren. Wenn die Öffentlichkeit schlecht informiert ist, dann liegt es an Ihnen, die Öffentlichkeit aufzuklären. - Wenn Sie an Ihre Recht glauben, ein Wort beim wirtschaftlichen Wiederaufbau von Bosnien und Herzegowina mitsprechen zu dürfen, dann sollten Sie die Öffentlichkeit davon überzeugen, dass die Ausübung dieses Rechts dem Allgemeinwohl dienen wird. Schwarz-Schilling unterstrich, dass diese Bemühungen auch auf einem Sozialdialog aufgebaut werden muss, der unter anderem auch die Arbeitnehmer und ihre Vertreter einschließen sollte: - Die Menschen, die verstehen, was die Wirtschaft bewegt, sind die selben Menschen, die verstehen, wie die Wirtschaft funktioniert – dies betrifft jeden, der mit einem erfolgreichen Wirtschaftsleben verbunden ist, einschliesslich der Manager, der Arbeitnehmer und der Verbraucher.
|