Rahmenabkommen und EBRs
Frage: UNI verfolgt wie andere globale Gewerkschaftsverbände seit Jahren die Strategie, mit globalen Konzernen internationale Rahmenabkommen (IFA) zu vereinbaren. Was würdest Du als Hauptstrategie von UNI bezeichnen?
Bössiger: Wichtig ist ersteinmal das prozesshafte Verständnis dieses Instruments. Das hat sich in den letzten Jahren verändert, wir wollen keine Abkommen um jeden Preis. Man hat nicht ein Papier – und das war’s. Wesentlich ist der Aufbau gewerkschaftlicher Netzwerke. Das gilt übrigens auch für die Handelsbranche, aus dem unsere ersten Abkommen stammen, die sehr minimalistisch ausgestaltet waren.
Frage: Kontrovers diskutiert wird ja die Rolle Europäischer Betriebsräte beim Abschluss von IFAs. Inwieweit bindet UNI die EBRs ein?
Bössiger: Es gibt kein festgelegtes Prozedere, nach dem die Verhandlungen ablaufen. Das ist nicht zuletzt abhängig von der Stärke der Gewerkschaften vor Ort. Wenn wir in dem jeweiligen Bereich starke EBRs haben, dann werden sie auch eingebunden. Allerdings nicht als alleinige und zentrale Akteure, schließlich sind diese betrieblichen Gremien nicht unbedingt mit Gewerkschaftern besetzt. Das gilt übrigens auch für Weltbetriebsräte, auch bei denen gibt es keine Garantie, daß ausschließlich Gewerkschaftsmitglieder entsandt wurden. Aus diesem Grund entspricht es übrigens auch nicht unserer Politik, den Aufbau solcher Gremien zu fördern. Wir versuchen vielmehr, gewerkschaftliche Netzwerke aufzubauen, wie man besonders gut am Beispiel der Telekommunikationsbranche sehen kann.
Frage: In der Branche habt Ihr ja letztes Jahr ein bestehendes IFA neu verhandelt und neu abschließen können, nämlich das mit Telefónica…
Bössiger: Ja genau. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass IFAs nur Teil eines Prozesses sind. Man hat nicht ein Abkommen und das bleibt unveränderlich. Abhängig von unserer Stärke in dem Konzern gibt es eben auch die Möglichkeit, ein IFA zu verbessern. Das IFA mit Telefónica wird von unsereren Mitgliedsgewerkschaften auch wirklich viel genutzt, so wurde beispielsweise das letzte jährliche Treffen in Panama abgehalten, um die Position der Kolleginnen und Kollegen vor Ort zu stärken. Bei der Tochtergesellschaft Atento in Brasilien, dem weltweit zweitgrößten Callcenter-Betreiber, konnten wir unter Verweis auf das IFA mehr als 10.000 neue Mitglieder gewinnen. Das Unternehmen hat sich nämlich im Sinne des IFA in Bezug auf unsere Organisationskampagne neutral verhalten. Insgesamt wird durch den Abschluss eines IFA der Solidaritätsgedanke verstärkt – und das ist für die gewerkschaftliche Arbeit nicht zu unterschätzen.
Alke Bössiger ist Abteilungsleiterin für Zeitarbeitsunternehmen, Glücksspiel- und Wettbranche und Sozialversicherungen von Union Network International (UNI) in Nyon bei Genf.
Das Interview führte Reingard Zimmer am 19. März 2008 in Nyon.
Quelle: http://www.euro-betriebsrat.de/news/030.php