"Sparpolitik ist nicht die Lösung"
Europa ist weiterhin mit einer dreifachen Krise, d. h. einer Finanz-, Wirtschafts- und Sozialkrise konfrontiert. Die Lösung der Krise im Banksektor ist eine zwingende Voraussetzung für einen Konjunkturaufschwung. UNI-Europa Finanz und ihre Gewerkschaften, die Beschäftigte in der Finanzwirtschaft vertreten, haben die wohl einmalige Gelegenheit, gemeinsam das Vertrauen im Finanzsektor wieder herzustellen und ihn so zu gestalten, dass er allen Beteiligten dient. Bei einer Fortführung der gegenwärtigen Sparpolitik bestehen kaum Chancen für eine generelle wirtschaftliche Erholung.
Die Sparmaßnahmen stellen eine ernste Bedrohung für die Realwirtschaft dar und verschärfen die Krise zusehends. Sparprogramme führten zu Stagnation, Rezession und weiterbreiteten sozialen Härten. Eine Neuausrichtung der Wirtschaft ist unerlässlich, in dem Sinne, dass der Finanzsektor der Realwirtschaft und der allgemeinen wirtschaftlichen Erholung dient.
Der Finanzsektor muss nun mit allen Interessengruppen und den Gewerkschaften zusammenarbeiten, um ein neues, nachhaltiges und ethisches Finanzmodell aufzubauen. Wir als Gewerkschafter, übernehmen diese Verantwortung und werden für die Recht der Finanzangestellten und der europäischen BürgerInnen eintreten.
Die “Etats Généraux - eine Krisensitzung des Finanzsektors - vereinigten Gewerkschaftsführer aus ganz Europa, um gemeinsam nach Lösungen für die Finanz-, Wirtschafts- und Sozialkrise zu suchen, die so verheerende Folgen für die europäischen ArbeitnehmerInnen und ihre Familien hat.
Die Teilnehmer verlangten eine neue Vision für das europäische Finanzsystem und waren sich darüber einig, dass die Stimme und die aktive Unterstützung der Gewerkschaften im Sektor von entscheidender Bedeutung sind. Sie waren überzeugt, dass "Business-as-usual"-Szenarien nicht funktionieren und mit Blick auf eine stärkere Wirtschafts- und Finanzintegration eine neue Europäische Bankenunion geschaffen werden muss.
Diese neue Bankenunion soll der EZB neue Befugnisse zur Überwachung der 6000 Banken in Europa in Zusammenarbeit mit den nationalen Aufsichtsbehörden geben. Eine neue europäische Finanzaufsichtsstruktur befindet sich im Aufbau. Wir, die Finanzsektor-Gewerkschaften Europas, verlangen heute von der EZB, die praktischen Auswirkungen dieser Veränderungen zu erörtern und sicherzustellen, dass die Gewerkschaften einen Sitz am Verhandlungstisch haben.
Wir stellen mit Besorgnis fest, dass weder die EBA noch die EZB in der Lage ist, den neuen Verantwortungen gerecht zu werden. Diese Fragen müssen dringend angegangen werden, um die notwendigen Bankreformen umzusetzen.
Wir verlangen ferner einen sozialen Dialog mit der EZB, da sich ihre Entscheidungen unmittelbar auf die Arbeitsplätze und das Leben von Millionen von Bankangestellten in Europa auswirken.
Um grundlegende Veränderungen zu erreichen, muss ein nachhaltiges Finanzsystem aufgebaut werden, das den Bedürfnissen der heutigen Generationen gerecht werden kann, ohne die Zukunft zu gefährden. Angesichts der stagnierenden Wirtschaft und der Plünderung von Umweltressourcen haben Kapitalrendite-Erwartungen in der Höhe von 15% eindeutig nichts mit Nachhaltigkeit zu tun.
Wir müssen das richtige Gleichgewicht zwischen Wachstum und Finanzstabilität finden, durch die Schaffung und den Schutz von Arbeitsplätzen und die Gewährleistung angemessener Löhne – nicht nur im Finanzsektor sondern sektorübergreifend und in ganz Europa, wo 26 Millionen Menschen, das heißt 11% der europäischen Erwerbstätigen arbeitslos sind. In Griechenland, Portugal und Spanien erreicht die Jugendarbeitslosigkeit 25%, 40% und 50%; in Griechenland sind sogar 62% der jungen Frauen ohne Beschäftigung. Der Arbeitsplatzabbau im Finanzsektor ist gewaltig, und diejenigen, die ihren Job noch haben, stehen unter enormem Druck, kurzfristige Gewinne für ihr Unternehmen zu erzielen. Seit 2008 wurden im Finanzsektor in 18 Ländern mindestens 300'000 Arbeitsplätze gestrichen, während die großen Unternehmen gleichzeitig Rekordgewinne erzielten.
Wir brauchen ein neues Denken und Handeln im Finanzsektor, eine Verlagerung des Schwerpunkts von kurzfristigen Gewinnen auf langfristige nachhaltige Entwicklung. Der Finanzsektor sollte im Dienste der Gesellschaft und ihren Bürgern stehen, und nicht umgekehrt.
Die Teilnehmer fordern die Europäische Union auf, ihren Entscheidungsprozess und damit die Annahme und Umsetzung der vorgeschlagenen Rechtsvorschriften zu beschleunigen. Die EU sollte sich ferner auf internationaler Ebene für eine bessere globale Regulierung einsetzen und damit gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Finanzakteure der Welt zu schaffen.
Die Gewerkschaftsbewegung wird sich beim Aufbau eines neuen und nachhaltigen Finanzsystems für die Zukunft für Alternativlösungen einsetzen, die die Menschen und unseren Planeten schützen.
UNI-Europa Finanz wird Maßnahmen im Bereich der für uns wichtigen Fragen ergreifen, wie z. B. Regulierung, Organisierung in multinationalen Unternehmen, Sozialdialog, Europäische Betriebsräte und Verkauf & Beratung. Die Verhandlungen mit multinationalen und nationalen Unternehmen, Arbeitgeberverbänden und anderen Partnern müssen verstärkt werden, damit wir eine starke, überzeugende Antwort auf die gegenwärtigen Angriffe auf die Tarifverhandlungen geben können.
UNI-Europa Finanz wird zudem mit entsprechenden Maßnahmen dafür sorgen, dass die Anliegen des Finanzsektors Teil der öffentlichen Debatte mit verschiedenen Interessengruppen, den Medien und den europäischen Bürgerinnen und Bürgern sind.