Botschaft an alle UNI-Mitgliedsorganisationen
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
In dem zu Ende gehenden Jahr war besonders beeindruckend, dass Time Magazine den 'Demonstranten' zur Person des Jahres gekürt hat. Während des ganzen Jahres gingen unsere Mitglieder auf allen Kontinenten in Massen auf die Strasse, um für Gerechtigkeit, Arbeitsplätze und Demokratie zu kämpfen. Das Nachrichtenmagazin anerkennt mit dieser Verleihung den Mut und die Opfer einer neuen Generation, ebenso wie die Fähigkeit der Zivilgesellschaft, Kräfte zur Förderung des Wandels zu mobilisieren. Die Protestbewegung hat vom Nahen Osten bis auf die Strassen Europas und den Hauptstädten auf der ganzen Welt Zeichen gesetzt, auf die jetzt greifbare Veränderungen folgen müssen.
Die mit der Protestbewegung verbundenen Hoffnungen stoßen nun auf einen harten Gegenwind, mit langwierigen Kämpfen gegen das Militär in Ägypten und den Occupy Wall Street-Zeltlagern, denen eine gewaltsame Schließung droht.
Letzte Woche verbrachte ich Zeit mit Aktivisten der Occupy Wall Street-Bewegung, die kurz davor an einer SEIU-Massenkundgebung teilnahmen, mit der 10'000 Personen auf der 6th Avenue im Zentrum Manhattans für faire Löhne für Gebäudewartungspersonal in NY City kämpften. Ihr Vertrag läuft am 31. Dezember ab – ein Vertrag, der unsichtbaren Arbeitskräften menschenwürdige Arbeit gewährleistet.
In allen Analysen über die wachsende Ungleichheit stellt man fest, dass die Rolle der Tarifverträge, die den arbeitenden Menschen gerechtere Bedingen gewährleisten würden, ignoriert wird. Der New Deal in den USA brachte für die Beschäftigten eine faire Behandlung am Arbeitsplatz. Wir sehen nun das Resultat der Kampagne der Wirtschaftselite und ihren politischen Verbündeten, mit der sie seit vierzig Jahren versuchen, die mit dem New Deal erzielten Ergebnisse rückgängig zu machen: die Ungleichheit hat heute einen Höchststand erreicht.
Erfreulich war auch das Treffen mit der RWDSU, die in New York für einen existenzsichernden Mindestlohn kämpfte; die Behörden von New York haben nun eine Erklärung zur Einlösung dieses Versprechens verabschiedet.
In der OWS-Bewegung, die vom Zuccotti Park an die 60 Wall Street vertrieben wurde, scheint der Wille, Änderungen herbeizuführen, ungebrochen. Die OWS-Bewegung wird von unseren Mitgliedsorganisationen in allen Landesteilen der USA aktiv unterstützt. Diese Protestbewegung besitzt keine formellen Strukturen, sie hat keinen einzelnen Wortführer und keine geschriebene Satzung. Soziale Medien stellen das Informationsnetz dar, das durch den starken Willen nach konkreten Taten ergänzt wird. Wir sollten nicht bezweifeln, wie stark diese Bewegung die politische Debatte in den USA und in der ganzen Welt beeinflusst. Der Slogan 'Wir sind die 99%' hat einen starken Nachhall. Ich werde meinen Dialog mit der OWS fortsetzen, und wir werden nach Wegen suchen, um die Aktionen zu globalisieren.
In New York habe ich auch an einer Tagung des UN Global Compact teilgenommen, dessen Vorstand ich angehöre. In diesem Fall betraf die Prüfung Deutsche Post DHL, nachdem das UNGC-Büro von UNI eine ausführliche Beschwerde über die Firma erhalten hatte. DP DHL wurde zur Teilnahme an den Gesprächen des UNGC eingeladen. UNI und die ITF haben eine neue Runde von Gesprächen mit dem Management eingeleitet. Diese folgt auf eine energische Kampagne von UNI Post & Logistik Global Union und der ITF. Ferner kam auch der Fall von T Mobile zur Sprache. Ironischerweise hat sich Deutsche Telekom 49 anderen multinationalen Unternehmen dem UNGC angeschlossen, mit dem Ziel, als Musterschüler im Global Compact identifiziert zu werden, was mit der aggressiven Anti-Gewerkschaftspolitik in den USA nur schwer vereinbar ist. Ich werde diese Frage im UNGC aufmerksam verfolgen. Wir haben eine detaillierte Untersuchung des TUAC über die Unzulänglichkeiten in der DT-Berichterstattung über ihre CSR-Politik veröffentlicht. Ich werde mich mit dem IGB auch weiterhin bemühen, die UNGC-Integritätsmaßnahmen bei Konflikten wegen mangelnder Umsetzung arbeitsrechtlicher Prinzipien zu verbessern. Ich bedankte mich ferner beim UNGC für seine Hilfe bei der Einrichtung des Sozialdialog-Forums in Kolumbien.
Das Jahr der Proteste neigt sich dem Ende zu, und wir denken an die Postangestellten in Kenia, die seit mehreren Tagen streiken und an unsere australische Gewerkschaft, die zur Unterstützung des Reinigungspersonals Kundgebungen durchführt. UNI unterstützt Strassenaktionen, von Atento in Mexiko-Stadt bis Novarits hier in Nyon.
Griechenland, Portugal, Italien, Spanien, Großbritannien, Belgien, Chile und die Slowakei waren in den letzten drei Wochen Schauplatz von großen Protestaktionen. Unsere Mitgliedsorganisationen spielen eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Sparpolitik und für wachstumsfördernde Maßnahmen.
2012 verspricht erneut, ein Jahr des Kampfes zu werden, da die globale Wirtschaft zunehmend ins Stocken gerät und in der EU eine erneute Rezession befürchtet wird.
Mit meinem Weihnachtsgruss möchte ich allen Mitgliedsorganisationen ganz herzlich für ihren Beitrag zu den Tätigkeiten und zur Förderung von UNI danken.
Wir halten unsere Durchbruch-Strategie auf Kurs; sie stellt unsere Arbeit im Vorfeld des Kongresses in Kapstadt im Jahr 2014 in so mancher Hinsicht unter neue Vorzeichen.
Mit kollegialen Grüssen
Philip J. Jennings
Generalsekretär
UNI Global Union